Große Augen, herzförmige Lippen, hohe Wangenknochen und ein leicht gebräunter Teint. Wer in den letzten Wochen und Monaten auf Instagram und TikTok unterwegs war, wird gemerkt haben: Irgendwie sehen alle immer ähnlicher aus! Und noch etwas fällt beim Scrollen durch den Feed auf: Gesichter nach Gesichtern, die absolut makellos sind. Beauty-Filter sind schon lange nichts neues mehr, dennoch bestimmen sie die öffentliche Debatte in letzter Zeit wieder mehr. Denn welche Folgen hat die stetig wachsende Anzahl an Face-Filtern eigentlich für der Gesellschaft? Wie wirken sie sich auf unser Schönheitsideal aus? Wie beeinflussen sie unser Körperbild und den damit verbundenen Selbstwert?  

Das Problem: Face-Filter sind verblüffend echt 

Die Geschichte von Face-Filter beginnt im Jahr 2013 mit der App FaceTune: Millionen Nutzerinnen und Nutzer können ihre Selfies zum ersten Mal schnell und einfach nach eigenen Wünschen auf dem Smartphone retuschieren. Zwei Jahre später, im September 2015, gelingt Snapchat mit dem Launch der ersten AR-Face-Filter (AR = Augmented Reality) dann der Durchbruch. Unsere Instagram- und Facebook-Feeds (ja, damals gab es noch kein TikTok) sind überflutet von Selfies mit Hundeschnauzen, Regenbögen und Blumen. Die Tücke der AR-Filter: Sie verändern das Gesicht durch einen einzigen Wisch. Augenringe und Hautunreinheiten verschwinden, Lippen plustern sich auf und Augen werden groß und rund. Auf einmal bedarf es nur einer kleinen Handbewegung und schon bekommt die Aussage „just woke up like this“ eine ganz neue Bedeutung.

Quelle: Instagram @kyliejenner

Das Problem: Face-Filter sind verblüffend echt. Erst im Februar löste der neueste Beauty-Filter auf TikTok eine kontroverse Debatte aus. Der neue Filter kann nämlich etwas, was andere Filter vorher nicht konnten – auch schnellen Bewegungen oder Handbewegungen über das Gesicht hält er stand. Kurz gesagt, man kann ihn ohne einen expliziten Hinweis gar nicht mehr als Filter erkennen. Viele User:innen sind daher schockiert von den unrealistischen Beauty-Standards, die der Filter setzt. Eine Nutzerin kommentiert zum Beispiel: „Ihr solltet den Filter abschalten. Meine Unsicherheit wird gleich explodieren“ und „das ist nicht gesund.“ 

Quelle: TikTok @meghan__lane__

Eine andere Userin bringt das Problem in ihrem TikTok-Video auf den Punkt: „Der Filter ist perfekt. Viele Mädchen werden nicht merken, wenn andere ihn benutzen. Und dann werden sie dieser Perfektion folgen, weil sie denken, dass Leute so aussehen, aber so sieht niemand aus! Das ist gruselig.

Quelle: TikTok @zoe_george_

Die Kritik: Face-Filter zerstören unser Selbstbewusstsein 

Wie die Beispiele zeigen, wurde die Einführung des neuen Beauty-Filters nicht kritiklos auf der Video-Plattform aufgenommen. Schon seit Längerem kritisieren Stimmen immer wieder die schleichende Gefahr von Face-Filtern. Im August 2020 veröffentlichte die größte Jugendorganisation für Mädchen im Vereinigten Königreich „Girlguiding“ eine Studie mit erschreckenden Ergebnissen: Zwei von fünf Mädchen und jungen Frauen zwischen 11 und 21 Jahren sind unzufrieden damit, im richtigen Leben nicht so auszusehen wie online. Rund ein Drittel würde kein unbearbeitetes Foto von sich hochladen.  

Auch in der Altersgruppe bis 39 macht sich dieser Trend bemerkbar: Laut dem Beauty Impact Report von „Stylebook“ und dem Marktforschungsunternehmen Innofact haben 40 Prozent der befragten Frauen zwischen 19 und 39 Jahren Angst davor, keine Likes oder Views auf ihren Social Media Plattformen zu erhalten wenn sie dem Beauty Standard nicht entsprechen. Knapp die Hälfte (46 Prozent) fühlt sich von dem makellosen Content von Influencer:innen unter Druck gesetzt und 28 Prozent sehen sich sogar zu Schönheitseingriffen wie Fettabsaugungen, Nasenkorrekturen und Brustvergrößerungen verleitet. Die Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie hat ihre Mitglieder befragt und diese Zahlen bestätigt: 85 Prozent der Chirurg:innen geben demnach an, dass bearbeitete Selfies die Ansprüche von Patient:innen an den eigenen Körper gerade bei jüngeren Menschen verändern. Die eigene Onlinepräsenz auf gefiltertem Content zu basieren kann die eigene Körperwahrnehmung der Nutzer:innen sogar nachhaltig stören. Mit ihrem echten Aussehen fühlen sie sich demnach nicht mehr wohl. Selfie- oder Snapchat-Dysmorphia heißt dieses Phänomen. Das Resultat: Starkes Make-Up oder – eben immer häufiger – Schönheitsoperationen.  

„Kann ja jede:r machen, wie sie/er will“, kann man jetzt sagen. Stimmt. Aber kann man diesem exzessiven Streben nach einem unerreichbaren Ideal wirklich etwas Gutes abgewinnen? Eine Erhebung unter britischen Teenagern aus 2018 zeigt auf, dass ein ausgeprägter Social Media Konsum das Risiko erhöht, depressiv zu werden. Auch der Kinder- und Jugendreport 2022 der DAK kommt zu dem Ergebnis, dass die Neudiagnosen von psychischen Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen im Alter von 5 bis 17 Jahren insgesamt stetig steigen.

Quelle: Kinder- und Jugendreport 2022 der DAK

Sicher hat in den letzten Jahren auch die Corona-Pandemie eine tragende Rolle in der drastischen Verschlechterung der mentalen Gesundheit unter Jugendlichen gespielt. Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass die Sozialen Medien, insbesondere das Schönheitsbild, das durch Filter jeglicher Art künstlich kreiert wird, für eine stetig wachsende Unsicherheit und Unzufriedenheit in der Gesellschaft sorgt.  

Als einziger Gewinner geht die Schönheitsindustrie hervor, die mit makellos gefilterten Influencer:innen ihre Produkte als wahre Wundermittel in Szene setzen können. Immerhin muss der Einsatz von Filtern nicht explizit in Werbung gekennzeichnet werden. Mit zwei, drei einfachen Klicks lässt sich das Make-Up also noch natürlicher und feiner aussehen, während das Produkt unsere Pickel im echten Leben gar nicht mal so gut kaschiert. Dann doch lieber ein kostenloser Filter. 

Zwei Lösungsansätze: „Body Positivity“ und Medienkompetenz

Die starke Kritik ist zwischenzeitlich zu einer richtigen Anti-Filter-Bewegung herangewachsen. Unter Hashtags wie #nofilter setzen sich mehr und mehr Menschen, auch aus dem öffentlichen Leben, für „Body Positivity“ (zu Deutsch: Körperzufriedenheit) ein. Sie teilen Vorher-/ Nachher-Bilder, klären über die Scheinwelt auf den Sozialen Medien – die ja durchaus ihren Reiz hat – auf oder verzichten sogar ganz auf Bildbearbeitung.  

Creator:innen wie Rianne Meijer konnten mit ihrem selbstironischen „Instagram vs. Reality“-Content bereits millionenstarke Communities aufbauen. 

Quelle: Instagram @rianne.meijer

Solche Accounts zeigen aber auch das Dilemma, in dem wir uns als Gesellschaft befinden, denn auch Rianne Meijer nutzt Filter. Deren Nutzung per se anzuprangern, fühlt sich in Zeiten der „Wokeness“ außerdem auch gar nicht mal so richtig an. Dass Instagram, TikTok und Co. lediglich sorgsam kuratierte Ausschnitte des echten Lebens zeigen, liege außerdem in der Natur der Social Media Plattformen, so ein häufiges Argument. Andere Plattformen wie beispielsweise die App „BeReal“ stellen dafür die Authentizität ihrer User:innen absichtlich in den Mittelpunkt und lassen Face-Filter oder sonstige Bearbeitungstool gar nicht erst zu.  

Öffentliche Stimmen, unter anderem in der Politik, fordern daher bereits seit Jahren einen anderen Ansatz: Die Förderung von Medienkompetenz bei Kindern und Jugendlichen. Wichtig sei demnach weniger die strenge Regulation von Face-Filtern oder Bildbearbeitung und mehr die reflektierte Auseinandersetzung mit dem Thema. Wie Kolumnistin Franziska Setare Koohestani in einem Beitrag der Süddeutschen Zeitung so schön resümiert: „Nur weil auf einem Selfie kein Filter liegt, ist es nicht gleich Ausdruck der Realität. […] Deswegen sollte man diese inhärente Künstlichkeit lieber reflektieren und zelebrieren, statt gegen sie anzukämpfen.“ 

Unser Fazit: Lebe dein Leben und liebe dich selbst! 

Wie so oft, liegt die Gefahr von Face-Filtern also im Auge des Betrachters. Ist man sich über die Wirkung auf die eigene Selbstwahrnehmung bewusst, spricht erstmal nichts dagegen, seine Onlinepräsenz nach den eigenen ästhetischen Vorstellungen zu gestalten. Der Einsatz von Filtern kann jedoch schnell zu einer gefährlichen Abwärtsspirale führen – ob bei einem selber oder außenstehenden Betrachter:innen. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass Face-Filter ein verzerrtes Bild der Realität darstellen und nicht alles auf Instagram und TikTok für bare Münze zu nehmen. Ob mit Filter oder ohne – ihr seid toll, so wie ihr seid und das sollte sich jede:r immer wieder vor Augen führen!