In unserer Serie „Was kommt nach Facebook“ fragen wir uns, wer den blauen Riesen das Feld streitig machen könnte. Im ersten Teil unserer Serie nahmen wir das Social Network tsu.co unter die Lupe, das mit seinem Dienst User am Werbeumsatz beteiligen möchte.

Diesmal schauen wir uns das bereits durch ein lautes Medienecho begleitete Ello an.

Ello wird in der Medienlandschaft als das „Anti-Facebook“ bezeichnet. Beim ersten Hinsehen bewahrheitet sich das auch, die Oberfläche wirkt nackt und schmucklos. Das Ziel von Ello ist klar und deutlich: keine Werbung, kein Verkauf von Daten. Dieses Ziel bekräftigt auch die neue Gesellschaftsform von Ello. Das Unternehmen wird seit Oktober dieses Jahres innerhalb einer gemeinnützigen Organisation geführt. Zusätzlich nahm das Team hinter Ello eine Kapitalspritze in Höhe von 5,5 Millionen US-Dollar auf, um die Entwicklung der Plattform voranzutreiben. Durch die neue Gesellschaftsform verpflichten sich alle Gesellschafter, niemals Werbung auf Ello zu schalten oder User-Daten zu verkaufen. Die Monetarisierung soll über ein Freemium-Modell erfolgen. User können Ello kostenlos nutzen, allerdings nur eingeschränkt. Für erweiterte Funktionen soll, wenn es nach den Betreibern geht, bezahlt werden. Eine mögliche Premium-Funktion wäre laut Gründer Paul Budnitz, die Verwaltung mehrerer Accounts. Ello User, erklärt Budnitz weiter, würden darüber hinaus ständig Vorschläge für neue Funktionen machen, für die sie auch bereit wären Geld zu zahlen. An Ideen scheint es den Machern von Ello also nicht zu fehlen, auch nicht an neuen Mitgliedern: nach eigenen Angaben registrieren sich jeden Tag 700.000 neue User. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei Ello um invite-only Anmeldungen handelt, ist das eine stattliche Zahl. Der Ansturm wird nicht nur damit zusammenhängen, dass das Netzwerk werbefrei ist, sondern auch mit der liberalen Führung. Während Facebook Accounts gesperrt hat, die nicht mit dem bürgerlichen Namen des Users versehen waren, sind auf Ello Nacktbilder erlaubt, sofern sie mit der Bezeichnung NSFW (not safe for work) gekennzeichnet sind.

Von Katzen-Babies und Stummschaltungen

Sehr viel harmloser hingegen läuft der Anmeldeprozess ab. Nachdem man eine Einladung erhalten hat und die obligatorischen Angaben wie Benutzername, Mail und Passwort gemacht hat, muss man sich eines von vier zur Auswahl stehenden Katzenbildern aussuchen und dessen Gesicht mit einem Smiley versehen. Die Profilseite sieht noch ziemlich trostlos und nackt aus. Bis auf einen Einführungstext bietet die Profiloberfläche nicht viel. Über den „Friends“-Button lassen sich die bestehenden Kontakte anzeigen und durch die Noise-Funktion werden die Statusmeldungen der einzelnen User auf einen Blick angezeigt.

Bislang beschränken sich die meisten Beiträge eher auf kreatives, als auf informatives Gedankengut. Wer sich durch die Posts einzelner User in seiner Wahrnehmung angegriffen fühlt, kann Inhalte von bestimmten Usern ausblenden. Dazu muss man lediglich auf den Profilnamen des Betroffenen klicken, den man über seinem Beitrag findet, und anschließend auf das Symbol ganz rechts klicken. Anschließend hat man die Möglichkeit die Beiträge des Users auf „Mute“ zu stellen, also wirklich nur seine Posts auszublenden oder ihn komplett zu blockieren. Zu den bisher umgesetzten Funktionen gehört das Kommentieren von Beiträgen, die Möglichkeit per Mail über neue Posts oder Freundschaftsanfragen benachrichtigt zu werden und Einladungen zum Beitritt auf Ello zu versenden.

Wenn man bedenkt, dass selbst eine so simple Funktion wie das Versenden einer Nachricht nicht vorhanden ist, bietet Ello wenig Spektakuläres. Vor diesem Hintergrund, ist das Ziel Facebook einzuholen, ziemlich ambitioniert. Jedoch sollen nach und nach neue Features implementiert werden. Über den Menüpunkt „Feature List“ gelangt man zu einer Übersicht der geplanten Funktionen. Zu den wichtigsten Funktionen die anstehen gehört die Möglichkeit private Nachrichten zu versenden und eine Art Like-Button, der bei Ello einfach „Love“ genannt wird. Zudem soll es möglich sein YouTube-, Instagram-, Vimeo- und Vine-Videos in seine Posts zu integrieren. Ein weiterer Punkt auf der Ello-Agenda ist Ello Mobile, somit kommen iOS- und Android-Nutzer in den Genuss Ello auch unterwegs zu nutzen, wobei Windows Mobile-Nutzer hingegen auf der Strecke bleiben und das Anti-Facebook nur stationär nutzen können.

Fazit:

Das was das Internet so attraktiv macht und Social Networks so spannend, ist die Möglichkeit schnell, einfach und kostenlos mit Freunden und Verwandten in Kontakt zu bleiben oder eben neue Leute kennenzulernen. Was einst viel Geld gekostet hat, wie zum Beispiel einen alten Studienfreund von Deutschland aus in Australien anzurufen, ist heute sekundenschnell und vor allem kostenfrei möglich. Ob eine signifikante Anzahl an Menschen sich bereit erklärt, für Premium-Services, wie Multi-Accounts oder von Künstlern entworfene Smileys Geld auszugeben, ist fraglich. Natürlich gibt es immer wieder Stimmen, die sich gegen die Datensammelwut von Facebook erheben und die wird man mit Angeboten wie Ello auch erreichen. Nur werden die wenigsten bereit sein, Geld für etwas auszugeben, was sie seit mittlerweile fast einem Jahrzehnt umsonst bekommen. Nichtsdestotrotz ist es spannend, die Entwicklung von Ello und anderen Facebook-Konkurrenten zu beobachten, schließlich ergibt sich dadurch Wettbewerb und davon profitiert der User. Das Produkt, das der User als das Optimum ansieht, wird sich natürlich auch schnell zum Dreh- und Angelpunkt für Online-Maßnahmen der PR-Arbeit etablieren, insofern wird es spannend sein, die weitere Entwicklung von Ello zu beobachten.