Die Art und Weise, wie Jugendliche kommunizieren verändert sich fortlaufend. Doch in welche Richtung? Zwei Studien und eine These, die gegensätzlicher nicht hätten ausfallen können, versuchen die Zukunft der Kommunikation unter Jugendlichen zu erklären.

Dass soziale Netzwerke unter Jugendlichen zwischen 10-18 Jahren immer noch beliebt sind, beweisen erneut aktuelle Studien. Doch es lässt sich ein Parallel-Trend erkennen, wonach eben diese junge Altersgruppe zukünftig weitestgehend auf Facebook & Co. verzichten wird – und zwar, weil die Sozialen Netzwerke bei Eltern im Trend sind. Dieser Meinung ist zumindest der Jugendkulturforscher Philipp Ikrath.

Eine repräsentative Umfrage der Interessenvertretung BITKOM fand heraus, dass Kurznachrichtendienste das bevorzugte Kommunikationsmittel der 10-18 jährigen sind. Die Teilnehmer der Studie wurden hierbei zu Ihrem Kommunikationsverhalten befragt. Verabredungen und der rege Austausch von Informationen werden lieber digital abgewickelt. Warum? Weil es einfach, komfortabel, schnell und vor allem kostenlos ist – also quasi ein Selbstläufer. 70 Prozent der Befragten gaben an, dass sie vorrangig Kurznachrichtendienste wie WhatsApp, iMessage und Joyn für die Kommunikation nutzen. Die stationären Vorläufer von Kurznachrichtendiensten wie ICQ, MSN und Skype werden von nur noch 13% der Befragten als eines der wichtigsten Kommunikationstools genannt. Das Schlusslicht stellen E-Mails (7%) sowie die gute alte Briefpost (3%) dar. Wie wichtig Jugendlichen Dienste wie WhatsApp sind, hängt auch vom Alter ab. So gaben „nur“ 58 Prozent der Befragten 10-12 jährigen an, dass Kurznachrichtendienste für sie besonders relevant sind. Jugendliche zwischen 16-18 Jahren hingegen sind sich weitestgehend einig: 78 Prozent von Ihnen erachten Kurznachrichtendienste als für sie am wichtigsten. Abseits der Erkenntnisse dieser Studie ist ein weiterer Dienst dabei, sich gegen die derzeitige Konkurrenz durchzusetzen. Die Messenger-App Line ist in Japan bereits führend und will nun auch in Europa und insbesondere in Deutschland Fuß fassen.

Soziale Medien machen alleine 40 Prozent der Verweildauer im Netz aus

Aber wie viel Zeit wird von Jugendlichen für Social Media aufgewandt? Dies hat das britische Marktforschungsinstitut GlobalWebIndex in 32 Ländern beobachtet und ausgewertet. Aus der Studie geht hervor, dass Facebook, Google+ und andere soziale Netzwerke alleine 28 Prozent der Verweildauer von Jugendlichen im Netz ausmachen. Dies entspricht einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von 1,7 Stunden pro Person, und zwar täglich. Dieser Wert lässt allerdings Micro-Blogging-Dienste wie Twitter außer Acht. Die GlobalWebIndex Studie zählte Micro-Blogging-Dienste nicht zu den sozialen Netzwerken. Würde man diese dazurechnen, würde sich der Anteil der Nutzung auf 41% erhöhen.

Von digitalen Aussteigern und verzweifelten Kindern

Auf dem 10. Kinderschutzforum Köln stellt Philipp Ikrath, der wissenschaftliche Leiter des Instituts für Jugendkulturforschung,  eine zu der GlobalWebindex Studie völlig gegensätzliche These auf. Immer häufiger komme es zu “digitalen Selbstmorden” und es entwickelt sich eine “Avantgarde von digitalen Aussteigern”, erklärt Ikrath. In Anbetracht der GlobalWebIndex Studie erscheint die These Ikraths etwas paradox. Die Ursache für diese Gegenbewegung sei im Elternhaus der Jugendlichen auszumachen. Es seien Eltern, die sich zunehmend mit mobilen Lösungen wie Tablets und Smartphones beschäftigen und ihr Netzwerk online pflegen. Daraus ergibt sich, dass Eltern schlichtweg weniger Zeit mit ihren Kindern verbringen können. Eine Schlussfolgerung für die Kinder dieser Eltern könnte sein, dass sie später eine etwas differenziertere Haltung gegenüber dem Internet annehmen. Augenscheinlich mag das eine logische Konsequenz daraus sein, nur hat das Internet bereits in der Vergangenheit ganz andere Hürden genommen und hat es immer wieder geschafft, alle Gesellschaftsschichten zu durchdringen. Von daher ist diese Entwicklung eher als Trenderscheinung zu bezeichnen, die sich kurz- und mittelfristig in das nahezu unüberwindbare Gefüge des Webs integrieren wird.

Medienschaffende haben hierbei wenig zu befürchten. Die These Ikraths mag in Einzelfällen zutreffend sein, allerdings kaum das Gros betreffen. Insofern handelt es sich bei „digitalen Selbstmorden“ um eine Begleiterscheinung, die sich wohl kaum gegen den Strom der Digital Natives durchsetzen kann. Alles andere hätte sich unlängst in Zugriffszahlen niedergeschlagen. Social-Media-Kampagnen, die die Zielgruppe der 10-18 jährigen erreichen wollen, haben also keinen Grund dazu, ihre Strategien umzukrempeln und neu auszurichten.