Inwiefern sich Kommunikation, speziell unter Jugendlichen, verändert, haben wir in unserem Beitrag Facebook, Twitter und Co.: So verändert sich die Kommunikation unter Jugendlichen beleuchtet. Aber was wären denn eigentlich die Alternativen zum Status quo? Mit tsū und Ello testen wir zwei Social Networks, die mit Facebook in den Ring steigen möchten.

Irgendwann flacht jeder Hype mal ab und wieso sollten Social Networks da eine Ausnahme machen? Kevin Roberts, Saatchi & Saatchi-Chef, prophezeit dem Giganten Facebook sogar ein jähes Ende: “Ich glaube, dass es Facebook in drei Jahren nicht mehr geben wird”, sagt er in einem Interview mit der Wirtschaftswoche. Der achtung!-Manager Wolfgang Lünenburger-Reidenbach sieht das völlig anders, so schreibt er auf wuv.de: „Ich […] postulierte […] immer wieder gerne, dass es (Facebook, Anm. d. Red.) auf Dauer so nicht überleben wird. Trotzdem ist die Prognose von […] Kevin Roberts falsch.“ Egal wer nun Recht hat, was kommt denn nach Facebook? Neue Social Networks kommen und gehen und eine Zeit lang sah es so aus, als habe sich die Gründung eines eigenen sozialen Netzwerkes zu einem wahren Sport entwickelt. So hatte bereits 2012 Lady Gaga ihre persönliche Austauschplattform littlemonsters.com gegründet und auch Microsoft nahm sich des Themas an und hievte So.Cl in das Web. Entwickelt haben sich littlemonsters.com und so.cl mehr schlecht als Recht, aber auch Branchenprimus Facebook musste zuletzt herbe Kritik einstecken. Die Sperrung von Usern, die innerhalb von Facebook Künstlernamen verwendeten, sorgte für großen Aufruhr und veranlasste Facebook letztendlich dazu einzulenken. Netzwerke, die eben diese Unzufriedenheit von Social Network Usern für sich nutzen um Marktanteile abzugreifen, gibt es zu Hauf. Zwei fallen aber besonders auf. Ello und tsū haben es sich zum Ziel gesetzt, Networking im Web grundlegend zu verändern – ohne Datenskandal. In unserer Serie widmen wir uns den beiden Facebook-Kontrahenten, den Start macht tsū.

So wird aus einem Post bares Geld

tsū hat es sich zum Ziel gesetzt, dass klassische Geschäftsmodell eines Social Networks, nämlich mit Werbung Umsätze zu generieren, auf den Kopf zu stellen. Das Web Start-Up setzt hierbei ein Revenue-Sharing-Modell ein und beteiligt seine User mit 90 Prozent des Umsatzes nicht knapp an den Einnahmen. Wie diese Rechnung genau aufgeht, erklärt tsū so:

  • User A lädt User B ein, dieser lädt User C ein, der wiederrum User D einlädt, der den Content erstellt
  • 100 $ Werbeumsatz wurden durch den Content von User D eingenommen
  • 90 Prozent des Werbeumsatzes fließen an die User. In diesem Fall sind das 90 $ der eingenommenen 100 $. Die restlichen 10 Prozent der Einnahmen, also 10 $, fließen an tsū.
  • User D, der Urheber des Contents erhält 50 Prozent, also 45 $
  • User C erhält 33,3 Prozent, also 29,70 $
  • User B erhält 11,1 Prozent, also 9,99 $
  • User A erhält 3,7 Prozent, also 3,33 $

Nach dieser Rechnung erhält der User, der den Stein durch eine Einladung überhaupt erst in Rollen gebracht hat, den kleinsten Anteil. Anders betrachtet, ist die Rechnung wiederrum sinnvoll, denn der User, der den Urheber des Contents eingeladen hat, erhält nach dem Content-Ersteller selbst, den größten Anteil. Klingt verwirrend? Ist es auch.

Von Privatsphäre und Geld

Die Situation die tsū für sich nutzen möchte kennen sicherlich viele. Man postet eine Statusmeldung, ein Foto, was auch immer und der Inhalt erscheint einem derart genial, dass man sagen könnte: „eigentlich müsste ich dafür bezahlt werden.“ Ganz so einfach lässt sich damit natürlich kein Geld verdienen. Die erste Hürde stellt sich bereits beim Anmeldeprozess. Hier bedarf es nämlich der Vanity-URL eines bestehenden tsū-Users, also invite-only. Da sich tsū noch in der Startphase befindet, ist die Wahrscheinlichkeit gering einen tsū-User zu kennen. Uns ist es dennoch gelungen. Die Logik hinter dem Anmeldeprozess kräftigt natürlich die Qualität der User und reduziert das Risiko von Fake-Accounts (Spammer nutzen in der Regel Software von Drittanbietern, um massenweise Konten zu erstellen). Die Registrierung ist nach dieser ersten Hürde nichts Wildes, standardmäßig werden E-Mail-Adresse, Username und ein Passwort abgefragt. Merkwürdigerweise soll man auch seinen vollen Klarnamen angeben, in Zeiten von Privatsphäre und Datenschutz kein wirklich kluger Schachzug. Ferner ist tsū laut den AGB dazu berechtigt, im Falle eines Verdachts Ausweisdokumente anzufordern, die die Identität des Users bestätigen. Vor dem Hintergrund, dass tsū Gelder ausbezahlt, ist das allerdings auch nachvollziehbar.

Im Anschluss an die Registrierung lassen sich noch ergänzende Profilinformationen wie eine Kurz-Bio, seine Telefonnummer, Website und so weiter angeben. Im nächsten Schritt macht tsū Vorschläge für neue Bekanntschaften, die kann man gleich seinem Netzwerk hinzufügen, muss man aber nicht. Die Oberfläche des Profils erinnert stark an die von Facebook oder LinkedIn. Titelbild, Profilbild und der Newsstream gleichen Facebook beinahe 1:1. Einzig auffallender Unterschied ist der Hinweis auf das aktuelle Guthaben. So hat man gleich auf der ersten Seite Überblick darüber, wie viel Geld man bisher mit tsū verdient hat oder wie in unserem Fall eben nicht.

Fazit:

Der Gedanke, der hinter tsū steckt, wirkt im ersten Moment sicherlich interessant genug, um sich zumindest kurzzeitig damit ernsthaft auseinanderzusetzen. Nachteil: tsū ist nicht das erste Unternehmen, das sich mit einer solchen Strategie versucht und sicherlich auch nicht das Letzte. Schneeballsystemen wie tsū haben eben auch immer etwas Anrüchiges. Das wird sicherlich nicht alle abschrecken, jedoch die falsche Klientel anziehen, nämlich jene, die bereits jetzt andere Plattformen mit Spam übersäen. Für PR-Schaffende ist tsū derzeit allerdings noch uninteressant, da sich die Plattform noch im Aufbau befindet und keine nennenswerte Reichweite verzeichnen kann. Sollte es den Machern von tsū jedoch gelingen, erste signifikante Zahlen vorzeigen zu können und sicherstellen, dass die Posts einen gewissen Qualitätsstandard halten, könnte es sich zu einem sinnvollen Tool für Online-PR entwickeln.